Ein Bericht über unsere frische Tour
rund 800 km quer durch Deutschland:

Hamburg - Twistringen - Osnabrück - Hilden - Aegidienberg - Bingen/Bingerbrück - Speyer - Rutesheim bei Stuttgart - Reutlingen


Radel-Spaß im Schnee!

Verreisen per Rad? Warum nicht! Aber im Winter??? Natürlich scheint der Sommer für solche Unternehmungen auf den ersten Blick besser geeignet. Wenn man sich aber von Anfang an klar darüber ist, was einen erwarten kann, ist die Radreise über Weihnachten auch nicht so abwegig.

Die Einladung von Freunden zu Silvester nach Reutlingen bot Anlaß zu unserer anfänglichen "Schnapsidee". Die Streckenführung durch alte Heimatstädte und ohne Bergetappen machte uns schließlich "hungrig" auf die berechneten 800 km. So starteten wir am 23. Dezember mit dem Tandem in Lokstedt.
Auf das sonst bei uns beliebte Zelten wollten wir aber lieber verzichten. Eine heiße Dusche und die Möglichkeit, nasse Klamotten auf der Heizung trocknen zu können, war uns in dieser Jahreszeit dann doch willkommener. Lediglich die Quartiersuche gestaltet sich an Feiertagen ein wenig problematisch, so daß ein vorzeitiges Buchen obligatorisch scheint. Hotels sind vielleicht ausgebucht und Jugendherbergen geschlossen. Da waren weitere Einladungen von Eltern und einem Freund entlang der Strecke an den Weihnachtsabenden von Vorteil. Nach den Feiertagen waren auch spontane Hotelübernachtungen möglich.
Kleidungsmäßig mussten wir gegen Kälte, Regen und Schnee gewappnet sein. Blättert man den Katalog eines Outdoorhandels durch, scheint das Radeln im Winter ebensowenig wie Wandern oder Skilaufen ein Problem zu sein: Wasserdichte, atmungsaktive Jacken und Hosen, Fleece-Pullover und Hosen, langärmlige und evtl. -beinige Funktionsunterwäsche und sogar Windstopper-Socken lassen einen dem Wetter trotzen. Die meisten Klamotten am Körper, benötigt man nur noch genügend Wäsche zum Wechseln, da ein Waschen und Trocken-im-Fahrtwind auf Wintertouren eher einer Gefriertrocknung gleichkommt... Vier wasserdichte Packtaschen gehören für zwei Personen natürlich zur Ausrüstung. Unser Tandem wurde zudem mit einer Lenkertasche sowie einem Packsack beladen.
Das Wetter war auf den ersten beiden Etappen auch - wie angekündigt - naßkalt. Sehnsucht nach einem Ruhetag unter dem Tannenbaum - oder war es der extreme Gegenwind? - ließ uns in Osnabrück in den Zug nach Wuppertal steigen. Gut gestärkt hatten wir am übernächsten Tag noch drei Stunden Dauerregen bis Köln, dann klarte der Himmel tatsächlich auf. Auf den weiteren Etappen wurde es aber zunehmend sonniger und wir staunten nicht schlecht über die zahlreichen Greifvögel in den Weinbergen.
Bewußt hatten wir uns für die geradlinige Führung entlang von Land- und Bundesstraßen entschieden, auch der Autoverkehr war an den Feiertagen erwartungsgemäß schwächer als normal. Radwanderwege waren, besonders am Rhein, aufgrund von Hochwasser nicht befahrbar. Südlich des Neckars hingegen vermissten wir Schneeketten und Spikesreifen abseits der geräumten Straßen. Zudem hatte der Sturm viele Bäume umgeknickt und Radwege so unbenutzbar gemacht.
Die Verpflegung für Unterwegs, Bananen und Kekse, litt zeitweise unter der Kombination von Kälte und Durchschütteln, Energieriegel eigneten sich eher zum Lutschen denn zum Kauen. Doch mit der Thermoskanne voll heißem Tee, gemütlich in einer Bushaltestelle pausierend, schmeckte es nochmal so gut.
Insgesamt waren die sechseinhalb Tagesetappen zwischen 60 und 165 km eine neue Erfahrung für uns, denn so sehr, wie von lieben und besorgten Mitmenschen prophezeit, unterscheidet sich das Radeln im Sommer gar nicht von einer Wintertour. Das Wichtigste ist die richtige Einstellung zum Erwarteten. Allerdings muss sich wohl jeder, der eine Urlaubsreise per Rad und dazu noch im Winter unternimmt, damit abfinden, von der Umwelt für verrückt erklärt zu werden. Vielleicht sind wir es ja auch?!

(Dieser Artikel ist ebenfalls erschienen im ADFC Magazin Hamburg, Ausgabe 2/00)

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© A. Pühse und P. de Leuw , Jan. 2000